Wir konnten alle nichts dafür

Wir konnten alle nichts dafür

Es war wieder einer dieser Tage an denen ich mich fragte, wann sie denn wohl aus dem Fenster springen würde. Es wäre eine Erlösung. Für alle. Für mich, für die Kinder und vor allem für sie.

Damals ahnte ich noch nicht wie tragisch ihre Situation eigentlich war. Ich verspürte nur Verzweiflung, Wut, Aggression und immer noch Liebe. Eine Menge Liebe. Auch bei mir würde sich erst später herausstellen, wie schicksalhaft mein Wesen so ist.

Wie dem auch sei. Zuhause angekommen packte ich erst einmal die Einkäufe aus und wickelte dann unseren Sohn. Mein Gott, war ich kaputt. Hoffentlich schreit der Kleine nicht wieder die ganze Nacht.

Es fängt an. Sie fängt an in ihrem „Unterton“ mit mir zu sprechen. Sie wartet auf einen Grund. Der Grund ist egal. Es ist egal, was ich sage. Es ist egal, dass ich etwas sage. Es reicht zu sein. Da zu sein. Das ist alles, was sie braucht. Das ist alles, was sie braucht, um auszuflippen. Im Nachhinein weiß ich auch nie, worum es eigentlich ging. Einmal ging es um Meg Ryan. Ich hatte gesagt, dass ich gerne kitschige Filme mit Meg Ryan gucke.
Wie gerne erinnere ich mich an den folgenden Gewaltausbruch.

Auch diesmal war es irgendwann wieder so weit. Zum Glück hatte sie sich immer so weit im Griff, dass die Kinder im Bett waren. Auch diesmal bekam ich die „volle Packung“. Als ich mal wieder die Wohnung verlassen wollte, blockierte sie die Tür. Sie blockierte auch mich mit plötzlichen Liebesschwüren, um kurz danach wieder gewalttätig zu werden.

Es war grausam. Ich war Gewalt gewohnt. Aus der eigenen Familie. Daher empfand ich die Gewalt zunächst nicht so schlimm. Erst als Blut im Spiel war und ich von der Polizei ausgelacht, von der Staatsanwaltschaft im Stich gelassen, vom Richter nicht ernst genommen wurde, erst dann wurde mir klar, was hier geschah.

Hier geschah Schlimmes. Etwas, das nicht sein durfte. Weder für mich, noch für die Kinder.

Das Schlimme nur war:
Wir konnten alle nichts dafür.
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Dieser Text entstand in Erinnerung an Erlebnisse mit einer sehr schicksalträchtigen Begegnung in meinem Leben. Sie hatte Borderline.

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